Auf der Konferenz "(De)Politicising Art History. Marxistische Traditionen seit 1968" (Programm [PDF], organisiert von der Arbeitsgruppe 'ende der kunstgeschichte' des Ulmer Vereins, 10.-11. November an der TU Berlin) wird unser Postdoc Lukas Fuchsgruber am zweiten Tag ein Panel mit Kerstin Stakemeier und Nizan Shaked zu den Verbindungen zwischen Museumskritik und marxistischer Kunstgeschichte moderieren
Details zum Panel:
Es gibt eine Geschichte der marxistischen Kunstwissenschaft, die sich mit Museen beschäftigt, von Max Raphael in den 1930er Jahren, der ihre Rolle in den Klassenverhältnissen und in der proletarischen Erziehung analysierte, bis zu Carol Duncan in den 1970er Jahren, die Kunstausstellungen als "zivilisatorische Rituale" darstellte. Dieses Panel wird aktuelle Ansätze marxistischer Museumskritik zusammenbringen, von Nizan Shaked, die eine historisch-materialistische Perspektive auf die Ökonomie und Politik zeitgenössischer Kunstsammlungen bietet, und von Kerstin Stakemeier, die sich auf das Denken der marxistisch-feministischen Publizistin Lu Märten aus dem frühen 20. Jahrhundert bezieht, um eine kritische Perspektive zur Sicherung der zukünftigen Relevanz von Kunst zu formulieren.
Beiträge:
Nizan Shaked (California State University, Long Beach): Museums After Value-Form Theory
Auszug:
Welche Auswirkungen hat die Anwendung der Wertformtheorie auf die materialistische Analyse von Museen? Bis vor kurzem konzentrierten sich marxistische Methoden für die Untersuchung von Museen vor allem auf die ideologische Analyse. Diese Analyse von Programm und Erzählung ist zwar grundlegend und bedeutsam, zeigt aber nur eine Seite der Beziehung des Museums zu staatlicher Politik und privatem Kapital. In diesem Vortrag wird das Museum als ein Modell wirtschaftlicher Organisation betrachtet und seine Funktion beschrieben, Kunst mit der Fähigkeit zu versehen, einen monetären Wert zu besitzen, sowie die sozialen Folgen zu diskutieren.
Kerstin Stakemeier (Akademie der Bildenden Künste Nürnberg): Art’s Needyness / Art’s Needfulness
Auszug:
In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts schrieb die marxistisch-feministische Publizistin Lu Märten zahllose Texte, in zahllosen Gattungen, in Journalismus, Romanen, Traktaten, Historien, Theorien. Sie alle wollten auf möglichst unterschiedliche Weise vermitteln, dass die Kunst in ihrer geheiligten modernen Form, als autonomes Feld des bürgerlichen Ausdrucks, als eine bloße Phase zu verstehen sei, eine späte, eine kurze, eine koloniale, eine engstirnige und, im Vergleich zu anderen Formen der künstlerischen Produktion, eine ziemlich repetitive. Märten projizierte die Wiederausdehnung der Kunst in das "allgemeine Lebenswerk des Menschen" (Märten), ihre Rückbindung an den gemeinschaftlichen und individuellen Gebrauch und damit ihre übermäßige Varianz. Diese Projektion blieb eine Phantasie der Entkapitalisierung, eine Phantasie dessen, was Alexander Bogdanov, ein Gründungsmitglied der frühen russischen Proletkul't, mit dem Märten sympathisierte, als einen gemeinschaftlichen "Soziomorphismus" allen Lebens verstand. Die Museen, die wir heute bevölkern und die gegenwärtig in immer mehr Prozesse der Neuaufhängung und Rekonstruktion ihrer Sammlungen verwickelt sind. Diese Versuche, zukünftige Relevanz zu sichern, gehen jedoch nicht so sehr dahin, 'Kunst' als eine Phase, eine Phase bürgerlich-europäischer Bedürftigkeit, die Konstruktion einer sentimentalen kolonialen Innerlichkeit zu entlarven, sondern mehr und mehr künstlerische Produktionen in diese Phase, in diese Innerlichkeit zu implizieren und sie damit nicht selten der Bedürftigkeit und gemeinschaftlichen Äußerlichkeit zu berauben, die ihre Entstehung kennzeichnete. Ich möchte erörtern, was eine gegenwärtige Praxis von Märtens Phantasie, 'Kunst' in "Lebensarbeit" zu verwandeln, sein kann, was eine Phantasie der Umkehrung des kolonisierenden (und das impliziert, beschränkt sich aber nicht auf kapitalisierenden) Inklusivismus sein kann, durch den 'Kunst' gerettet wird.